Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

Lesezirkel

Die Presseschau für Kunst und danach


#17) Presseschau vom 29. November 2011

Die Monopol zimmert in ihrer neuen Ausgabe eine neue Fotografen-Generation aus kühlen Stillleben von Annette Kelm, Elad Lassry und Roy Ethridge („Die neue Eiszeit“). In der Taz ärgert Ulf Erdmann Ziegler sich über die Ausstellung von Tobias Zielony im Frankfurter MMK: „Man fragt sich bisweilen, ob manche Museumsleute heute nicht simple Bildchen wie die aus Manitoba benutzen, um die Fotografie, die sie ohnehin nicht verstanden haben, dauerhaft zu diskreditieren. Jeder kann erkennen, dass dies eine Sackgasse ist“ Auch Catrin Lorch sieht in Frankfurt eine Künstlerkarriere in der Sackgasse. Zu Douglas Gordon schreibt sie in der SZ: „Es ist frappierend, wie dieser Künstler sich an prominenten Gedanken und eigenen Einfällen berauscht: Hitchcock, Zidane, Warhol, Mozart – die Reihe will man lieber nicht erweitert wissen; ein außerordentliches Werk hat sich, im Olymp der Frühvollendung angelangt, eigenhändig abgewürgt.“ In der SZ vom Samstag verrät Georg Baselitz, wie es zur Kunst kommt: „Leider geht es nicht anders. Man kann Kunst nicht machen und auch nicht vertreten, wenn man leise hinterher geht, sondern das geht nur mit Angeberei, mit großen Sprüchen, mit großen Gebärden […] Trotzdem kannst du Scheitern, weil – plötzlich kommst du in diesen vergleichenden Katalog von Sotheby’s oder Christie’s, und dann siehst du, wer recht hat und wer nicht.“

#16) Presseschau vom 15. November 2011

Kleiner Feuilleton-Rabatz zum Wochenstart: Nachdem am Samstag Stephan Speicher für die Süddeutsche in Vivian Steins kritischer Berggruen-Biografie ein „Sittenstück“ las, fahren Rüdiger Schaper auf Zeit Online und Mike Naumann im Tagesspiegel schweres Geschütz auf: Scharper nennt Stein eine „unerfahrene, schlechte Autorin“ und Naumann poltert gegen Grisebach-Geschäftsführer Bernd Schultz, für den Stein einst arbeitete und der Berggruen nur deshalb der Geschäftemacherei beschuldige, „weil er das Geschäft nicht selbst betreiben konnte“. Auch in der FAZ wird abgewatscht: Dirk Schümer knöpft sich die Arte povera vor, deren Protagonisten in den Siebzigern lediglich „aus Abfall irgendwelchen Murks“ gebastelt und zur Kunst erklärt hätten. In einem längeren Aufsatz in Bilder und Zeiten stellt Svantje Karich fest, dass der zeitgenössischen Kunst die Gegenwart abhanden gekommen sei. Eine Ausnahme hat sie in Essen gefunden: „Aernout Mik ist der Mann der Stunde.“ Mein Reden!

#15) Presseschau vom 6. November 2011

Die Welt zeigt einen Ausschnitt aus dem Video von Artur Zmijewski, das der Martin-Gropius-Bau aus der deutsch-polnischen Ausstellung Tür an Tür entfernen ließ. Auffallend handzahm hofiert Der Spiegel diese Woche Springer-Chef Mathias Döpfner mit dessen Hofkünstler Anselm Kiefer. Peter Richter hat die Ausstellung Geld und Schönheit in Florenz besucht und findet in ihr den besten Ort sich über Merkel, Sarkozy und die Kreditwürdigkeit Italiens Gedanken zu machen. Er tellt außerdem fest, dass Botticelli „nie, wie das seine flämischen Kollegen gern mit moralisierendem Unterton taten, den vulgären Akt des Geldzählens gemalt (hat) - Botticelli war selbst malendes Geld. Er war die Übersetzung von Reichtum in mythologische Rätselbilder voll sphärischer Schönheit für eine kleine, humanistisch gebildete Elite, der seine Werkstatt eine nackte Venus nach der anderen für das Hinterzimmer lieferte.“ Für Artnet stellt Gesine Borcherdt das neue Recherche-Portal zu den Großen deutschen Kunstausstellungen von 1937 bis 1947 vor: „Nun aber kann man sich sein eigenes Bild machen – und entdeckt dabei vor allem die Banalität, die vielen der ausgestellten Werke zugrunde lag: Markige Menschen, deutsche Landschaften und niedliche Tiere gingen offenbar fast immer.“

#14) Presseschau vom 28. Oktober 2011

Überschätzt findet Jutta von Zitzewitz auf Artnet die Schau von Taryn Simon in der Neuen Nationalgalerie: „Von der analytischen Tiefenschärfe und kompromisslosen Konsequenz, mit der etwa Martha Rosler in den 1970er-Jahren in ihrer Bild-Text-Montage The Bowery in two inadequate decriptive systems vergleichbare Fragen an die Fotografie und ihre Repräsentationsweisen stellte, ist Simons ungleich aufwendigere Arbeit jedenfalls ziemlich weit entfernt.“ Art erklärt seinen Lesern die zehn gängigsten Strategien zeitgenössischer Kunst, die da wären: Irritation, Partizipation, Inspektion, Inszenierung, Transformation, Collage, Naration, Negation, Provokation und Ironisierung. Wohl im Zeichen Letzterer steht Maurizio Cattelans Abschied von der Kunst, den er der Monopol verspricht. Die Süddeutsche hat mit dem Chefermittler des Kunstfälscherprozesses gesprochen, der gestern in Köln zu Ende ging: „Für mich ist ein Pferd ein Pferd und nicht blau oder rot.“ Word!

#13) Presseschau vom 15. Oktober 2011

Gesine Borcherdt hat für Arnet die Ausstellung von Jorge Pardo bei Neugerriemschneider besucht und fühlt sich an Lipgloss erinnert: „im ersten Augenblick kühl und sexy, dann nur noch synthetisch und kurz darauf abgelutscht.“ Glänzend auch ihr Fazit: „Wann die Galerie Neugerriemschneider – die sich immer noch im Glanz von Olafur Eliassons Riesenstrahler in der Tate Modern aus dem Jahr 2003 sonnt – mit Jorge Pardo, Tobias Rehberger, Rirkrit Tiravanija und neuerdings auch Ai Weiwei aus dem Rampenlicht treten wird, ist daher nur noch eine Frage von Zeit und von Geist.“ Die Welt rezensiert Wozu Kunst? Ästhetik nach Darwin von Winfried Menninghaus. Entscheidend für Darwin seien die Ornamente, heißt es darin, deren Ursprung er in der sexuellen Selektion, der Schönheitskonkurrenz im Tierreich ausmacht. „Auf seiner Website zeigt sich Winfried Menninghaus mit einer Elektrofrisur wie der exzentrische Doc Brown im Film Zurück in die Zukunft. Nach der Lektüre seines Buches könnte man von einem Körperornament sprechen“ Bei Monopol antwortet Designlegende Enzo Mari auf die Frage, was die Kunst vom Design lernen könne: „Gar nichts!“ Schließlich melden alle die neue Rangliste der britischen Art Review, die in diesem Jahr Ai Weiwei anführt. Einen frischeren Blick auf die Künstler wirft dagegen dieser Mann von der Straße.