Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

Lesezirkel

Die Presseschau für Kunst und danach


#22) Presseschau vom 23. Februar 2012

"Die aktuelle Magazinfotografie befindet sich ästhetisch in einem Zustand, in dem ein Bild vor wenigen Jahren das Fotolabor nicht einmal verlassen hätte", moniert Silke Hohmann in der aktuellen Monopol und schließt ihren Essay zum Ende von Kodak mit einem Plädoyer für weniger Nostalgie und mehr Gegenwart in der Fotografie. Den Anfang macht Peter Piller im Konkurrenzblatt mit einer Hommage an die Tristesse des Hamburger Stadtteils Großburgwedel. Sie ist der Auftakt einer neuen Magazinserie, in der er nun jeden Monat eine Kollektion der Bilder ausbreiten will, die bei ihm so über den Schreibtisch gingen. Werner Spies erinnert sich in einem Interview mit dem Stern plötzlich an seine frühen Zweifel an der Authentizität der Beltracchi-Bilder. Der Kunsthistoriker gestand außerdem, nach dem Ansehensverlust im Zuge des Fälschungsskandals mit dem Gedanken gespielt zu haben, "mich von dieser Welt zu verabschieden" Wie fast alle jubelt diese Woche auch Swantje Karich in der FAZ über den Erweiterungsbau des Frankfurter Städel: "Das neue Städel entlässt einen beeindruckt, aber man macht sich auch Sorgen: Welches der vielen deutschen Museen kann hier noch mithalten?"

#21) Presseschau vom 5. Februar 2012

Überall Nachrufe auf Mike Kelley, der sich am Dienstag in seinem Haus in Pasadena das Leben nahm. Artnet verweist auf den von Jerry Salz und übersetzt einige Zeilen von Charlie Finch: „Wenn sich Mike Kelley das Leben nahm, hat Los Angeles ihn getötet.“ Art bringt eines seiner letzten Interviews. O-Ton Kelley: „Warum sollten wir so tun, als ob Kunst unabhängig vom Kapitalismus wäre? Ist es weniger erniedrigend, ein schlecht bezahlter College-Professor zu sein, der Hintern von Bürokraten lecken muss? Ich finde, es ist besser, für drei Tage auf einer Messe neben dem Plakat des Wodka-Sponsors zu stehen.“ Swantje Karich war für die FAZ in Bonn, hat die dortige Ausstellung von Kris Martin besucht und schwärmt in einer Tour: „Unerbittlich seziert Kris Martin die Bedingungen, die uns umgeben“, „der Romantiker Kris Martin schickt uns hinauf auf den steilsten Berg“, „Kris Martin verbindet Schönheit und Schrecken mit einem beeindruckenden Gespür“ „er simuliert, er täuscht, und er bietet uns schließlich Erkenntnis an“, „Beliebigkeit kennt Kris Martins Werk nicht“ – Karichs Artikel schon. Erhellender ist der Bericht von Daniel Haas, der für die gleiche Zeitung den New Yorker Essayisten Mark Greif begleitet und ihm den folgenden schönen Satz entlockt: „Sosehr ich Warhol schätze, ich denke, es wäre besser, er hätte nicht existiert.“

#20) Presseschau vom 31. Januar 2012

In einem lesenswerten Kommentar der aktuellen Monopol moniert Daniel Völzke die Verteilung von Aufmerksamkeit in der deutschen Kunstberichterstattung. Bezeichnend sei, dass 70 Zeitungen den DPA-Nachruf auf den New Yorker Arztpraxengrafiker James Rizzi druckten, jedoch nur vier den auf die am gleichen Tag verstorbene Farbfeldmalerin Helen Frankenthaler. Ungerecht findet er auch, dass „für einen Konsumenten von Mainstream-Medien, die Kunstwelt aussehen [muss] wie ein Haufen verschworener Heuchler oder Verblendeter, die sich nackt Komplimente für des Kaisers neue Kleider zuwerfen.“ Aber wäre man damit so weit von Wirklichkeit entfernt? Nein, entgegnet eine völlig überflüssige deutsche Neuauflage von Andy Wahrhol’s Interview, in der sich Mode-, Film- und Kunstwelt gegenseitig Komplimente machen. Bei der gleichermaßen ideenlosen Adaption von Warhols „Screentests“ darf man der Berliner Society sogar bei der Verkennung ihrer Nacktheit zusehen. Bedeutung simulieren hier u.a. Udo Kittelmann, Christian Borros und Jonathan Meese. Sein „Thema verfehlt!“ hat nach Ansicht des Freitags auch Martin Zets Anti-Sarrazin-Aktion. Artnet besuchte die erste Galerieausstellung von Julius von Bismarck, und Swantje Karich stellt fest, dass „der politische Wille der Bürger auf der Straße“ nicht in ein Museum gehört.

#19) Presseschau vom 22. Januar 2012

Bei Artnet beschwert sich Damian Zimmermann über die Suspendierung der „Visual Gallery“ von der Fotomesse Photokina und zitiert einen wütenden Markus Schaden. Für den war sie nämlich „die Ursuppe der Fotografieausstellungen überhaupt.“ Nach einem Besuch der David-Hockney-Ausstellung in der Londoner Royal Academy of Arts stellt die SZ vom Samstag dem britischem Malerstar ein schlechtes Zeugnis aus: „Sein Scheitern besteht […] darin, dass er, dessen erklärtes Ziel es ist, lebendige Natur zu zeigen, unausgesetzt leblose Trivialität im Bankfoyer-Format liefert.“ Art und Artnet unternehmen andächtige Atelierbesuche, die einen bei Gerhard Richter, die andern bei Thomas Scheibitz. Gewohnt weitschweifig macht sich Wolfgang Kemp im aktuellen Merkur Gedanken, diesmal zur Geschichtsvergessenheit der aktuellen Kunstgeschichte. Nach der SZ erhielt der Kurator der Berlin Biennale, Artur Żmijewski, diese Woche Besuch von der FAZ, der er gestand: „Ich bin eben kein guter Junge, der versucht die Welt zu verbessern.“ Kein gutes Mädchen scheint auch die Dame zu sein, die vor zwei Wochen für diese nette Schlagzeile sorgte: „Drunk Lady Rubs Butt, Tries to Pee on $30 Million Painting“

#18) Presseschau vom 14. Januar 2012

Im Interview mit der SZ macht Kurator Artur Zmijewski neugierig auf seine Berlin Biennale und spricht Klartext: „Auch die Kunst ist in einer Krise, ich würde es als Krise des öffentlichen Auftrags von Kunst und des künstlerischen Ethos bezeichnen. […] Und die Dominanz des kommerziellen Sektors, des Kunstmarkts, führt dazu, dass es in Zukunft nur noch Kunst geben wird, die Politik in ein ästhetisches Spektakel verwandelt, sanfte ineffiziente Kritik, die sich alles einverleibt.“ Ebenfalls in der SZ beschwert sich Laura Weißmüller über die Indienstnahme der Kunst für Immobiliengeschäfte in Berlin. In ihrer Winterausgabe bemerkt die Frieze d/e mit rund 15 Jahren Verspätung das „Ende der Fotografie“, versammelt aber mit Artikeln von u.a. Jennifer Allen und Hito Steyerl trotzdem Lesenswertes zum Thema. Die FAZ langweilt sich in einer Wolfsburger Ausstellung zum Thema Entschleunigung und findet es „sinnlich unergiebig und begrifflich platt, Langsamkeit und Geschwindigkeit gegeneinander auszuspielen.“ Claudia Bodin hat für Art in New York festgestellt, dass die Arbeiten von Sherrie Levine im Digitalen Zeitalter stark an Schärfe eingebüßt haben.