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BERLINGERWALD ROCKENSCHAUB: LADY LINDA

Spielerischer Purismus

9. Juni 2011 von Marianne Hain
Abbildung zu
"Lady Linda", Ausstellungsansicht (Foto: Marianne Hain)
Gerwald Rockenschaub ist ein Spieler – er spielt mit visuellen Formen und Zeichen unserer Umwelt. Auch in seiner Ausstellung „Lady Linda“ in der Galerie Mehdi Chouakri stellt er verschiedene knallbunte Objekte aus lackiertem MDF an einer großen Wand zusammen, die den Betrachter in ihrer Zeichenhaftigkeit zum Assoziieren verführen. Die Zusammenstellung der Werke erinnert an die Allgegenwärtigkeit von Werbe-Signets, von deren Präsenz, Knalligkeit und unterschiedlichsten Aussagen man regelrecht überflutet wird. Das Auge hüpft von einem zum nächsten, auf der Suche nach Sinn. Die Zeichen scheinen immer wieder auf alltägliche Dinge zu verweisen – wie eine Blume, eine Sprechblase, ein Doppelherz oder ein Farbklecks, aber doch bleiben sie abstrakt und stehen als Farb-Form-Gebilde für sich. Die Setzung des Künstlers ist als offene Matrix zu verstehen, ohne inhaltliche oder narrative Festlegung, verspielt und nicht fassbar, vielmehr als Möglichkeit gedacht. Die scheinbar riesige Quelle an Interpretationsspielräumen, die die Objekte eröffnen, ist beeindruckend – als stupide Essenz des Informations- und Konsumzeitalters gelesen, mitunter auch bedrückend. Dennoch, zielsicher an Rockenschaubs visuellem Konzept ist, dass er mit einer skurrilen Mischung aus heiterer Verspieltheit sowie Coolness und Sterilität Codes unserer Alltags- und Popkultur auf die Probe stellt. Er benutzt Zeichen, die man scheinbar kennt, gleichwohl man den Eindruck gewinnt, dass ihnen etwas fehlt wie z.B. ein Schriftzug oder auch der Kontext. Wurde der Pop seines Inhalts beraubt oder schlimmer: seines Versprechens? Allein schon durch diese Möglichkeit erhält das zurückbleibende dekorative Moment etwas unerwartet Widerständiges.
Das Konzept des Künstlers aber endet nicht am einzelnen Zeichen, am einzelnen Objekt. Vielmehr spielt er auch mit dem Raum, in dem seine Kunst gezeigt wird, definiert diesen durch minimale Eingriffe um und verweist damit auf seine Herkunft aus der Kontextkunst der 1990er Jahre. In der aktuellen Ausstellung erinnert die Zusammenstellung der Werke an der Wand durchaus an eine Petersburger Hängung, mit der man den Betrachter ja gerade durch die Fülle an neben- und übereinander gezeigten Werken beeindrucken wollte und die einzelnen Bilder oftmals in ihrer singulären Bedeutsamkeit geschmälert wurden. Das museale Prinzip wird hier in eine Galerie übertragen, in der das Staunen über Kunst nicht selten auf den Preis der Objekte zurückzuführen ist.
Auch den zweiten Raum nutzt Rockenschaub als Spielfeld für die Inszenierung von Kunst. Die beiden Seiten-Wände sind mit Malereien gestaltet – ebenso könnte man sagen, sie sind mit dunkler Farbe gestrichen worden. Zwischen diese beiden Wände ist ein filigran gestaltetes Aluminiumobjekt gesetzt, welches am unmittelbaren Eintreten in den Raum hindert. Es könnte als Gerüst einer Durchgangskontrolle gelesen werden, durch das man schreiten muss, um in den „Tempel der Kunst“ zu gelangen. Noch bevor man sich körperlich nähern kann, wird der Blick an die gegenüberliegende Wand gelenkt. Dort – in weiter Ferne – hängt das Objekt der Begierde – ein Bild, vielmehr ein mit Holz gerahmtes Bild-Objekt aus Acrylglas, welches trotz seiner minimalen abstrakten Formensprache an die Darstellung einer Landschaft erinnert. Als Einzelbild an einer weißen Wand präsentiert, wirkt es museal überhöht und referiert auf eine jüngere Tradition der Inszenierung von Kunst.
Abbildung zu
"Lady Linda", Ausstellungsansicht (Foto: Marianne Hain)
Es ist das Zusammenspiel aus Architektur, Design und Malerei, mit welchem Rockenschaub immer wieder das Prinzip des Ausstellungsmachens vorführt. Begonnen hat er damit in den späten 1980er Jahren, als er beispielsweise in der Galerie Paul Maenz in Köln an eine Wand des Galerieraumes 36 farblose Acrylglasplatten mit Metallschrauben und Beilagscheiben befestigt hat. Die transparenten Platten ersetzten das Bild, wodurch die Wand selbst zum Vorschein kam und seine ausschließliche Funktion als Bildträger verlor. Durch diesen Austausch von Figur und Grund, Träger und Tafelbild, Wand und Kunst wurden der White Cube und seine Funktion selbst zum Gegenstand der Reflexion und Hinterfragung. In der Ausstellung „Lady Linda“ gelingt es Rockenschaub einmal mehr, diese Ebenen mit überlegten Eingriffen zu veranschaulichen und sie als Konzepte und Entwürfe für assoziative Reflexionen anzubieten.