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KARLSRUHEMISCHA KUBALL: PLATON'S MIRROR

Platons Loft

25. Februar 2011 von Daniel Daher
Das Museum für neue Kunst in Karlsruhe zeigt Werke Mischa Kuballs unter dem Titel "Platon's Mirror". Die Präsentation leidet unter einem schwindelerregenden semantischen Overload, den die Kunst nicht aufwiegen kann. Die Ausstellung hat sogenanntes Projektraumformat, sie zeigt eine Installation, zwei Videos, vier großformatige Fotografien und eine Serie aus 42 CT-Aufnahmen von Fotoapparaten. Hauptstück der Präsentation ist ein schummriger, abgedunkelter Raum der von einer aufgehängten Silberfolie geteilt wird, die sich durch den Luftzug und die Bewegungen von Besuchern in ihrer Nähe ständig leicht bewegt. Einzige Lichtquelle im Raum ist ein Beamer unter der Decke, der auf die Folie gerichtet ist: Was er projiziert, ist kaum zu erkennen, weil die bewegliche Folie als Projektionsfläche das Bild bricht und verzerrt. Die Folie bewirkt eine Diffusität der Ausleuchtung, die an Nebelmaschinen denken lässt.
Der Bezug zum Höhlengleichnis ist irgendwie schon klar. Der Besucher kann die undeutliche Schattenwürfe an der Wand beobachten. Aber im Unterschied zum Gleichnis ist er ist nicht gefesselt, sondern kann sich frei bewegen und auch die Lichtquelle betrachten. Die Schatten werden hier nicht von unbekannten Gegenständen geworfen, solche kommen in der Installation nicht vor, sondern von den Körpern der Besucher. Die räumliche Struktur und die Lichtmetapher aus dem Gleichnis werden in vereinfachter Form in eine künstlerische Installation überführt. Geht es Mischa Kuball dabei nun um einen ernsthaften und ungebrochenen Anschluss an das platonische Erkenntnismodell? Jedenfalls lässt sich nicht der leiseste ironische Unterton im Ausstellungstitel vernehmen. Aber das Setting der Installation erscheint einfach als eine stark komplexitätsreduzierte Version der Höhle aus dem Gleichnis. Was da aktualisiert werden soll, bleibt offen.

Einerseits meint Mischa Kuball es mit seiner Arbeit offenbar sehr ernst, andererseits bleibt er sehr vage. Aber wie kann man zitieren, wenn man gar nichts sagt? Und warum dann ausgerechnet Platon? Die Ausstellung zwingt zu dieser Frage, die jede und jeden peinlich berühren muss oder, wahrscheinlicher, mit den Augen rollen lässt. Es geht hier mitnichten um die Besonderheit irgendwelcher philosophischer Thesen.
Bleibt, den ästhetischen Reiz des Szenarios als Inspirationsquelle anzunehmen, zumal auf dieser Ebene die Verbindung zwischen Installation und restlicher Ausstellung liegt: Da wären vier Fotografien der reflektierenden Folie, aufgenommen in einem mit der Installation identischen Setting: Die Folie wird auch hier nur frontal, vom Beamer, beleuchtet, ihre direkt beleuchtete Seite füllt die Bildfläche der großen Querformate aus. Diese Aufnahmen sind auf Metallplatten gedruckt. Silbergraue Falten auf vornehm glänzenden Metall sind das Ergebnis. Unterm Strich: Die Ausdifferenzierung des ästhetischen Potentials jenes Modells, um das es gehen soll, zielt auf Hochwertigkeit und Repräsentativität ab. Edelstahl-Optik, respekteinflößender Titel, Klischee-Kunst fürs Foyer.
So kombiniert die Ausstellung eine schicke Oberflächlichkeit mit großem Kommentarbedarf. Ihre Strategie scheint darin zu bestehen, einen stark überhöhenden inhaltlichen Anschluss zu suggerieren, so dass der kritische Betrachter entweder eingeschüchtert wird, oder sich entscheidet, angesichts der Aufwändigkeit eines detaillierten Widerspruchs resigniert zu schweigen. Mischa Kuball ist bemüht, jeden Besucher auf dem falschen Fuß zu erwischen. Dann handelt es sich um eine besondere Form von Schaumschlägerei, nämlich genau die Sorte, die sich der machtbewusste Manager gerne hinter den Schreibtisch hängt. Doch zunächst heißt es abwarten, denn zum Ausstellungsprojekt ist ein Reader angekündigt, der im Sommer erscheinen soll: mit Texten von Hans Belting, Bazon Brock, Ursula Frohne, Friedhelm Mennekes, Wolfgang Ullrich, Peter Sloterdijk, und Peter Weibel. Vielleicht sollte man die Resignation solange aufschieben.
Die Umgebung des MNK fügt der Ausstellung noch etwas hinzu. Das Museum verfügt über zwei Lichthöfe, große Bereiche seines Parterre-Geschosses sind nach oben über die Höhe der drei Stockwerke des Museums offen und von Glas überdacht, die Geschosse eins und zwei umlaufen diese beiden Lichthöfe wie Galerien. Mischa Kuballs Ausstellung befindet sich zweiten Geschoss. In den angrenzenden Lichthof hat das Künstlerduo Elmgreen und Dragset ein komplettes Hochhaus mit Sozialwohnungen hineingestellt, in die man durch die Fenster hineinluken kann. Die Bewohner dieses Hauses würden niemals den Weg ins Museum finden, so der Tenor. Ihr Einrichtungsstil bezeugt durchgehend etwas, dass dem Museumsbesucher als kulturelle Niveaulosigkeit erscheint. Und auf das Dach dieses Hochhauses fällt der Blick, wenn sich der Besucher von Kuballs Ausstellung von der Kunst abwendet, um den Ausblick zu genießen. Elmgreen und Dragset kritisieren Kunst als Mittel sozialer Distinktion. Ihre Perspektive kehrt hervor, dass Mischa Kuballs Ausstellung den Duft der Selbstbeweihräucherung einer statusorientierten Szene versprüht.

Kommentare

#1) Am 28. Februar 20:12 um Uhr von Sven Zedlitz

Lieber Daniel Daher,

sehr interessant, dass gerade Vertreter der HfG (Sloterdijk, Ullrich, Brock, etc.) diese Selbstbeweihräucherung mit einem Reader würdigen wollen. Wahrscheinlich wirst du den Aufsatz bereits gelesen haben, aber gerade Wolfgang Ullrich liefert mit seinem Text "Disziplin des Genies - Für eine Kunst, über die sich debattieren läßt" (erschienen im Sammelband: Gesucht: Kunst! Phantombild eines Jokers. Berlin 2007.) ja ein ähnliches Statement über den Verunklärungshabitus vieler zeitgenössischer Künstler. Wie du den wohl unbefriedigenden Zusammenhang von Platons Höhlengleichnis mit Schatten auf einer Silberfolie beklagst, lässt sich Ullrich über die Aufblähung eines Bedeutungszusammenhanges in einer Installation von Jason Rhoades aus, der rein auf einer Assonanz beruhte (es handelte sich um das englische xxxx und den deutschen Kant - das erste Wort durfte ich hier nicht schreiben). Doch frage ich mich bei Ullrich wie bei dir: Was lässt sich über die Installation sagen, wenn ich die Titel/semantischen Bezüge außer Acht lasse? Diesen Weg hast du ja auch beschritten (4. Absatz) und im Zuge dessen dem Spiel mit der "Edelstahl-Optik" einen gesellschaftlichen Hintersinn attestiert. In diesem Fall, dass sie wohl besonders teuer aussehen soll. Daher habe ich zwei Fragen: 1. Inwiefern unterscheidet sich die Suche nach semantischen/inhaltlichen Ebenen (wie man sie auch nennen mag) von ästhetischen, wenn zweitere ebenso mit gesellschaftlichem Hintersinn aufgeladen werden können? und 2. War es denn nicht cool, Schatten sich bewegen zu sehen, das Rascheln der Folie zu hören (das vermute ich, ich war selbst nicht da, vielleicht hörte man ja auch nur den Beamer...vielleicht auch ganz nett) und die Chance gehabt zu haben, an einem Ort wie eben diesem zu sein?

Vielen Dank für den Artikel - ab und zu tut es gut zu sehen, dass wir noch versuchen die Beliebigkeit zu reduzieren.

Liebe Grüße,

Sven

#2) Am 2. März 20:12 um Uhr von Anton

Hier gibt es ein Interview mit dem Künstler, das den Sachverhalt allerdings auch nicht unbedingt erhellt:

Link zum Interview

Man fragt sich wie der Mann argumentieren will, wenn er auf Bernhard Waldenfels trifft. Am Sonntag den 13.03. um 15 Uhr soll es nämlich im MNK ein Künstlergespräch mit Mischa Kuball und dem Philosophen Bernhard Waldenfels geben. Von Letzterem halte ich eigentlich recht viel und er ist mir bisher auch noch nicht als einer jener gut bezahlten Stichwortgeber für Kunstkataloge aufgefallen. Auf der anderen Seite ist die Erwartung kritischer Fragen an den Künstler wohl eher unrealistisch.