Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

DÜSSELDORFDIE SÃO PAULO BIENNALE

Die verlorenen Kommentare

2. März 2011 von Anton Rohrheimer
„Man hat (…) möglicherweise,
an der ein oder anderen Stelle,
auch teilweise den Überblick verloren.“

(Karl-Theodor zu Guttenberg)

Sie kann einem beinahe Angst machen diese Ausstellung. Davor, dass es ewig so weiter geht, Generation für Generation, kein Ende, und jedes Platzen einer Blase wäre nicht mehr als ein kurzer Pausengong im Betriebsablauf.
Zunächst aber versprachen die beiden Künstler-Kuratoren Philipp Rühr und Henning Fehr mit der „Sao Paulo Biennale“ in den Düsseldorfer Ambach-Projekten (MAP) eine ironische Gegenrede zur eventfixierten ‚Global Art World’. Zumindest meinte man dieses Versprechen aus dem Titel herauszulesen und auch aus der illustren Mischung teilnehmender Künstler. Da trifft ein überwiegend konzeptioneller Düsseldorfer Akademienachwuchs auf bekannte Routiniers wie Rodney Graham, Thomas Schütte und Markus Lüppertz. Allein die Kombination der drei letztgenannten roch bereits nach Zündstoff und kuratorischem Wagemut. Doch wer sich zu einem Rundgang durch die schon von außen seltsam profillos erscheinenden Räumlichkeiten der MAP entschließt, dem legt sich der klaustrophobische Gedanke nahe, ob der jüngst so viel beschworene Postkonzeptualismus nicht einfach eine zum Begriff der Postdemokratie analoge Lesart verdiente: Als wäre er die verlogene Simulation vergangener Grundgedanken, ausgehöhlt vom leeren Geschwätz seiner Darsteller.
Abbildung zu
Viel versprechend: die Einladungskarte
Tatsächlich ist die Ausstellung eine relativ sinnfrei zusammengestellte Ansammlung von losem Kunstwerk – nicht die kleinste Linie ist erkennbar. Das konfuse Arrangement erinnert vielleicht noch an die Pragmatik eines Messebetriebs, hat aber rein gar nichts mit den Themenparks der Biennalen gemein. Als Kommentar zu diesen taugt es ebenso wenig. Das entwertende Thesengewitter des Biennalensystems – in der Tat, es nervt! Aber ehrlich: soll das die Antwort sein? Nicht einmal ist es so, dass man die Obsession der Einzelposition dagegen gesetzt hätte. Denn dann hätte man sich dem zur Verfügung stehenden Platz entsprechend auf wenige herausragende Arbeiten beschränken müssen. Wer aber dermaßen verschiedene Arbeiten von 25 Künstlern in die drei Ausstellungsräume schiebt, erweckt zwangsläufig den Eindruck von Beliebigkeit: Irgendwie ist ja auch alles interessant, oder? Und hängt nicht auch alles mit allem zusammen?
Dazu passt auch der Beipackzettel: „In der Miniatur kommentiert das Projekt modellhaft die Aufwertung der Städte im künstlerischen Wertekreislauf genauso wie die Überbewertung dieser Ereignisse“, heißt es da zum Beispiel. Doch worin genau besteht dieser Kommentar? In der bloßen Wiederholung? Es bleibt offen bis zum Ende, natürlich, auch wenn die Rede vom „Kommentar“ sich durch den kompletten Beitrag zieht. Die halbe Welt wird da „kommentiert“. Das nimmt nicht Wunder, schließlich zeigen die Arbeiten „wie die poststrukturalistische, luxuriös-multiplizierenden Strategie des Kommentars in die junge künstlerische Praxis diffundieren konnte, um die dialektisch operierenden, reduzierenden Strategien der Moderne abzulösen.“ Aha, also doch: alles hat mit allem zu tun bzw. kommentiert sich gegenseitig – und multipliziert sich. Absegnen sollen diese angestrengten Überlegungen die Herren Groys, Foucault und Newcomer Byung-Chul Han – Stichwort „diskontinuierlicher Zeitbegriff“.
Der Fairness halber muss man es ausdrücklich machen: Solch textliches Beiwerkeln, in der die Simulation eines künstlerischen Diskurses bedeutungsleere Ausstellungen beschweren soll, ist bei Weitem keine Ausnahme, ja eher der Regelfall. Ebenso die kuratorische Indifferenz. Das Hoffungslose an dieser Ausstellung, die sonst eine unter vielen wäre und der Aufregung nicht bedurfte, ist der Umstand, dass sie eine neue Künstlergeneration verspricht, ja sogar, diese neue Generation an alten Betriebsgrößen zu messen. Allein es fehlt die Reibung. So unterschiedlich die einzelnen Arbeiten sich ausmachen, so sehr gleichen sich doch die meisten in ihrer Mediokrität. Bei zweifellos verdienten Größen wie Rodney Graham oder Ian Wallace fand man nur Marginalien, die von der Komplexität bedeutenderer Arbeiten weit entfernt sind. Ein Readymade von Graham zum Beispiel, ein Mousepad mit aufgedrucktem Sternenhimmel, ermattet einsam im Rahmen und kommt über den hübschen Verweis auf das Universum in der Alltagsplastik nicht hinaus. Es hätte einen ästhetischen Gegenspieler gebraucht, um dem gedruckten Kosmos auch einen sinnlich-geistigen abzuverlangen. Grahams Arbeit ist nicht so schlecht, dass das nicht möglich gewesen wäre, aber offenbar haben sich die Kuratoren jeder übergeordneten Überlegung verweigert. Und so verweigert sich denn auch das benachbarte Streifenbild von Johannes Bendzulla konsequent dem Dialog mit dem gerahmten Mousepad. Mehr Neben- als Miteinander, und das hat ja schon im Leben meist wenig Bestand.
Im Artblog Cologne antwortet immerhin ein Kommentar, der offenbar aus den Reihen der Künstler oder Kuratoren selbst stammt, auf eine lohnende und tiefer gehende Ausstellungskritik. Der Titel sei zweitrangig heißt es in der Antwort, und die „sensible, fast minutiöse Hängung“ Ausdruck einer größtmöglichen Programmlosigkeit. Wie gesagt, wenn sich die Kuratoren zugunsten der Künstler bzw. deren Arbeiten hätten zurücknehmen wollen, dann hätten sie sich die mittelmäßigen Arbeiten großer Namen schenken sollen und auf wenige, gut ausgesuchte Positionen beschränken müssen. So jedenfalls ist’s weder Fisch noch Fleisch und schade um den viel versprechenden Werbegag im Titel.

Kommentare

#1) Am 3. März 20:11 um Uhr von bobby

nice…