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TOM TYKWERS NEUER KINOFILM KENNT KUNST

Die Drei vom Salon

29. Dezember 2010 von Erik Stein
Man kannte das bisher nur vom französischen Kino, vielleicht noch vom Manhattan Woody Allens: Mit „Drei“ aber setzt derzeit ein deutscher Film das liberal-intellektuelle Großstadt-Milieu fantastisch in Szene. Er spielt im gegenwärtigen Berlin und seine Protagonisten gehören nicht zu den gefühlten zwei Millionen Überlebenskünstlern, sondern zur verdienenden Klasse. Die hat es ja mittlerweile auch in der ach so armen Hauptstadt. Oh ja, die Eröffnung des Soho-House im vergangenen Jahr in Berlin-Mitte sollte man durchaus als Sinnbild für eines neues Selbstverständnis in der kleinen Weltmetropole lesen. Das filmische Szenario von „Drei“ ist zwar weniger dekadent, aber eben doch reich genug für einen großzügigen Lebenswandel mit viel kulturellem Beiwerk und gutem Geschmack. Für den Mercedes schämt man sich dabei nicht mehr. Auch nicht in Kreuzberg.
Abbildung zu
Isch liebe Liebe zu dritt (oben rechts mit Thomas Struth)
Typisch Berlin und typisch 2010 ist auch der kulturelle Rang von bildender Kunst innerhalb dessen. Tom Tykwer bedient sich versiert beim gegenwärtigen Mainstream: Die Hauptdarstellerin tagträumt ihre sexuellen Fantasien via "Made in Heaven" von Jeff Koons, sie realisiert das fortschreitende Alter anhand einer vergilbten Postkarte von Gilbert & George und in der Küche hängt ein Ausstellungsplakat von Thomas Struth – beiläufig und selbstverständlich. Einer der großen dramatischen Momente des Films ereignet sich während einer großen Vernissage im Martin-Gropius-Bau. Wie auch alles Andere im Film wirkt das völlig glaubhaft und sympathisch. Klar hätte man sich als künstlerische Repräsentanten ein paar weniger überschätzte Vertreter gewünscht, aber womöglich hätte das eben diese großartige Glaubwürdigkeit nur ins Wanken gebracht.
Der Film ist ein brillantes Stück Kino und wahnsinnig gut erzählt. Natürlich ist die Häufung von Kunst innerhalb der Erzählung nicht mehr als nüchterne Dekoration der Gegenwart – die Musik des Films spielt in einer ganz anderen Abteilung menschlicher Wirklichkeit. Dennoch überfiel mich ein kurzer Schauder als ich realisierte, dass wesentliche Teile zeitgenössischer Kunstproduktion einem solventen liberalen Milieu heute den Opernbesuch ersparen. Sprich: Es gibt einen neuen Salon. Und wie Julian Heynen es kürzlich schon treffend beschrieb, hängen darin eben nicht mehr nur Leipziger Schüler sondern mindestens ebenso viele Eliassons, Höllers oder Tiravanijas ("Die Welt" vom 2.12.2010). Künstler wie Gilbert & George und Thomas Struth gehören längst zu einer neuen Art von Freizeitangebot und so recht weiß man nicht, ob man das gut oder schlecht finden soll. „Drei“ zeigt immerhin, dass sich unter diesen neuen Kunstbetrachtern auch recht angenehme Charaktere befinden können.

Kommentare

#1) Am 5. Januar 23:21 um Uhr von Niele

Interessant finde ich ja, dass der Hauptdarsteller nicht nur Kunst rezipiert, sondern aktiv mitproduziert. Als ausführender Dienstleister kümmert er sich um die Produktion von aufwendigeren Skulpturen etc. und erweitert damit das gängige Bild des Künstlers als Maler um installativ-skulpturelle Arbeiten. Schade nur, dass die von ihm aufgestellte Skulptur vor dem Firmensitz seines Liebhabers doch wieder nur repräsentativ, aber sonst ziemlich blass wirkt.