Der Donnerstag hat seinen Betrieb auf unbestimmte Zeit eingestellt. d. Red.

BERLINMARTIN KIPPENBERGER: SEHR GUT | VERY GOOD

Kippy und die Rache der Enterbten

7. August 2013 von Annika Bender
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Monotheismus der guten Laune: Martin Kippenbergers „Zuerst die Füße“ von 1991
(© Estate Martin Kippenberger, Galerie Gisela Capitain)
Didi Hallervorden. Wie schon bei der großen Hans-Peter-Feldmann-Show in den Deichtorhallen, musste ich ständig an Didi Hallervordern denken. An diesen lachenden Zeigefinger: Schau ma – hö, hö, hö – det is witzig! In beiden Fällen große Hallen und weite Wege zwischen mittelmäßigen Kalauern. Auf zum nächsten Gag! Nun ist über die Kippenberger-Ausstellung im Hamburger Bahnhof eigentlich genug geschrieben worden. Dass sie nichts beitrage zur ausstehenden Erforschung des Werks, dass sie markante Werkphasen gleich ganz außen vor lasse oder eine „selbstherrliche Verwaltungskultur“ exerziere (Roberto Ohrt). All dem kann man getrost zustimmen. Die Schau ist rundherum misslungen. Ihr fehlt jedweder Ehrgeiz, dem Phänomen Martin Kippenberger irgendetwas abzugewinnen, das über die dürftige Anhäufung von Artefakten hinausginge. Es ist mit Kippenberger ja ähnlich wie mit Beuys: Die Werke altern schnell und kläglich, schaffen Kuratoren und Szenografen es nicht, sie mit Kontext zu polieren. Und auch wenn die Ausstellung sich ganz offiziell an einer „Annäherung an die private und öffentliche Person wie auch an den Künstler Martin Kippenberger“ versucht, ist ihr gerade dazu erstaunlich wenig eingefallen.
Dennoch ist bemerkenswert, dass Kippenberger, bald zwanzig Jahren nach seinem Tod, auch bei dieser Ausstellung ein weiteres Mal als Prototyp des postmodernen Künstlers und „echter Avantgardist“ vorgestellt und rezipiert wird. Wohl deshalb ist die Kritik sich so auffallend einig über ... weiterlesen »

KARLSRUHECONTINENTAL DRIFT I + II

Ästhetik als Kollateralschaden

14. Juli 2013 von Erik Stein
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Gruß vom Original – Konzeptkunst 1976: „…It's Still Privileged Art“ von Carole Condé und Karl Beveridge (Courtesy the artist)
Dem Eindruck schierer Vermassung kann man sich bei einer Ausstellung mit insgesamt sieben Kuratoren und über 100 teilnehmenden Künstlern kaum erwehren. Ganz falsch ist das nicht: „Continental Drift – Konzeptkunst in Kanada“ im Badischen Kunstverein will versammeln, nicht verdichten. Die Ausstellung will nicht selbst Geschichte sein, sondern geschichtliche Roadmap zu ein paar weniger bekannten Seitenstraßen der Konzeptkunst. Die Reise geht nach Kanada, in die sechziger und siebziger Jahre. Von dort erhofft man sich neue Impulse für eine „globale Geschichtsschreibung der Konzeptkunst“. Doch fraglich bleibt zunächst, ob man tatsächlich auf neue Erkenntnisse abzielt oder lediglich auf ein paar neue, weil unbekannte Beispiele für längst bekannte Topoi? Die Kapitel der Ausstellung lassen Letzteres vermuten, als sich mit ihnen durchaus auch eine generelle Einführung in die Geschichte der Konzeptkunst gliedern ließe: Sprache, Kartografie, Kollaboration, Feminismus – das alles kommt wenig überraschend.
Gegen die Ausstellung spricht das nicht. Es passt sich ein in den angenehm unaufgeregten Gesamtauftritt, der nicht vorgibt, eine globale Sensation zu präsentieren. Eher muss man an einen etwas langweiligen aber sympathischen Professor denken, der mit Bergen an Material aus dem Archiv zurückkehrt und sich mit leuchtenden Augen daran macht, sagen wir den Unterschied zwischen kanadischer und us-amerikanischer Verkehrsordnung aufzudröseln. Was hat „Continental Drift“ über leuchtende Kuratorenaugen hinaus zu bieten? Vor allem bietet die Ausstellung Gelegenheit, die abwesende Gegenwartskunst auf ihre Lieblingsreferenz hin zu befragen: Konzeptkunst nach der Konzeptkunst, was könnte das sein?
Wie präsent und unstrittig ihre Ästhetik noch immer ist, zeigt schon der zweite Blick, den man braucht, um dem Ausgestellten das halbe Jahrhundert anzumerken, das es auf dem Buckel hat. Und da wird es interessant. Ein Beispiel: Die Ausstellung, die ... weiterlesen »

MÜNCHENREBECCA WARREN: THE LIVING

Kopie, Original, scheißegal

14. Juni 2013 von Andrea Morgan
Wenn man wieder einmal ratlos in einer Ausstellung steht und sich einfach nirgends ein sinnvoller Einstieg auftut, dann findet sich meist eine Schlauer, der erklärt, die Werke entzögen sich eben tradierten Rezeptionsmodi und konventionellen Bedeutungsansprüchen. Wenn man die von Rebecca Warren installierten sieben Bronzesäulen im langläufigen Hauptraum des Münchner Kunstvereins abschreitet, erwartet man an Position acht genau so einen Fürsprecher zeitgenössischer Bedeutungsoffenheit. Ebenso freundlich wie überlegen würde er der Ratlosen ein „Alles kann, nichts muss!“ entgegenhauchen. Doch da steht niemand.
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Beziehen sich „in Verbindung mit dem spezifischen Umfeld aufeinander“: Bronzeskulpturen von Rebecca Warren im großen Saal des Münchener Kunstvereins (Foto: Ulrich Gebert)
Der überreichte Pressetext verspricht, ein „wesentliches Merkmal“ von Warrens Arbeitsweise ausgemacht zu haben, so als würde es jetzt handfest werden. Worin besteht dieses Merkmal also, denn die Skulpturen selbst sind wenig auskunftsfreudig? – „[...] in der individuellen Anordnung der Werke, die es ermöglicht, dass deren Materialeigenschaften aufeinander reagieren und sich in Verbindung mit dem spezifischen Umfeld aufeinander beziehen.“
Es gibt zwei Arten, wie man bedeutungsfreie Kunst an Frau oder Mann bringen kann. Die eine kokettiert einfach mit der eigenen Zusammenhangslosigkeit. Das ist die Variante, wo es gerne heißt, die Werke entzögen sich begrifflichem Denken und überzogenen Bedeutungsansprüchen – und ... weiterlesen »

HAMBURGHEIKO NEUMEISTER & JOHN SMITH

Müde Essayisten

8. März 2013 von Annika Bender
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Die „Hotel Diaries“ von John Smith in der Galerie Dorothea Schlüter (Courtesy the artist and Tanya Leighton Gallery, Berlin)
Beginnen werden die Meisten mit den acht Fotografien von Heiko Neumeister. Sauber gerahmt verteilen sie sich im Galerieraum, dessen geschmeidiger, von der Firma Vorwerk gesponsorte Veloursteppich den Titel der Ausstellung karikiert: „Großzügige Sachzuwendung“. Gemeint ist natürlich und eigentlich die künstlerische Zuwendung zu den Sachen, dem „Krams“, wie es im Begeleittext heißt. Auf Neumeisters Fotografien konkretisiert er sich in Stuhllehnen, aufgespürten Lampenfüßen oder zufälligen Geometrien von Landschaft. Das steht für sich genommen erstmal ohne erkennbaren Zusammenhang und ist fotografisch auch einigermaßen durchgenudelt. Die dargestellten alltäglichen Szenen öffentlichen Lebens reichen nicht, eine bestimmte Perspektive oder Ästhetik zu erzwingen. Es mag daran liegen, dass die Motive zu nebensächlich sind – oder derer zu wenige. 300 solcher Bilder hätten womöglich eine ganz andere künstlerische Signifikanz ausweisen können. So aber hängt die allein an der akkuraten und schweren Rahmung aufs Beiläufige angelegter Motive.
Im Gegenteil dazu bestechen die Videos von John Smith (die „Hotel Diaries“, 2001-2007) durch ihren – entsprechend dem Inhalt – bewusst lapidaren Umgang mit künstlerischem Material und Gerät: Gefilmt wurde mit Handkamera, ohne jede Vorkehrungen zur Steigerung der Bildqualität. Der aus dem ... weiterlesen »

HAMBURGFLORIAN WALDVOGEL VERLÄSST DEN KUNSTVEREIN

Die verschwundene Bilanz

1. Februar 2013 von Annika Bender
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Lichtblick: Ausstellung von Manuel Graf im Hamburger Kunstverein (Foto: Fred Dott)
Man muss ja nun zwangsläufig Bilanz ziehen. Jetzt, nur vier Jahre nachdem Florian Waldvogel die Nachfolge von Yilmaz Dziewior am Hamburger Kunstverein angetreten hatte. Zu einer Verlängerung seines auslaufenden Vertrages hat sich der Vorstand um Harald Falckenberg offenbar nicht durchringen können. Vielleicht hatte es ihm einfach zu wenig hergemacht, was Waldvogel in den vergangenen Jahren in die Hallen am Klosterwall holte. Allerdings hört man auch nichts von größerer Gegenwehr in den ansonsten recht streitlustigen Vereinsgremien. Waldvogel hatte es eben keinem so richtig Recht gemacht. Weder dem bekannten Vorsitzenden, dem Kunst kaum laut und derb genug sein kann, noch der arg von Neunziger Nachwehen gezeichneten Hamburger Kunstszene, noch dem diskurshungrigen Feuilleton, das Dziewior mit seinen so called „wegweisenden“ Gruppenausstellungen so gut im Griff hatte.
Waldvogel aber schien selbst am unglücklichsten über die fehlenden Konturen seines Programms. Denn gegen Missgunst und Widerwillen anzuprogrammieren wäre sein Problem nicht gewesen. Auch hinaus über das Weblog, das er einige Zeit auf der Webseite von Art führte, ließ er ... weiterlesen »

LEVERKUSENROSEMARIE TROCKEL: MAISON DE PLAISANCE

Irgendwie clever

6. Oktober 2012 von Annika Bender
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Detail einer Arbeit Rosemarie Trockels von der Documenta 13 (Foto: Nils Klinger)
Es gibt Künstler, denen wird eine besonders gut gemeinte Form von diskursiver Wertschätzung entgegengebracht. Wie ihre Kollegen nehmen sie an großen Ausstellungen Teil, werden besprochen und innerhalb bestimmter politischer Kategorien rezipiert. Allerdings, und das ist der Unterschied zu den meisten anderen Künstlern, werden diese Kategorien bei ihnen nur selten noch überprüft und am tatsächlichen Gegenstand einzelner Arbeiten und Ausstellungen gemessen. Vielmehr scheinen sie gehüllt in die Dunstwolke eines blinden Vertrauens in Bedeutung und politischen Kontext, welche von Zeit zu Zeit um ein paar weitere, meist auffällig gewundene Sprachblüten und -wolken ergänzt werden.
In der aktuellen Ausgabe von Texte zur Kunst macht Peter Geimer eine Ausnahme und konfrontiert eine derart diskursiv eingedieselte Arbeit von Thomas Hirschhorn mit einer völlig unnebulös artikulierten Argumentation. Am Ende bleibt wenig übrig vom medienkritischen, aufklärerischen und reflexiven Potenzial ... weiterlesen »